Mogelpackungen. Mehrere Vorfälle auf der US PGA Tour zeigen: Die Profis verstoßen gegen die Regeln, manche schummeln dabei sogar ganz offensichtlich. Im Zentrum der Kritik: der ehemalige US-Masters-Sieger Patrick Reed. Von Reinhold Schnupp.
Es war ein Vorfall, auf den sich die Reaktionen in Grenzen hielten. Einerseits. Nur ein junger, eher weniger bekannter Profi namens Lanto Griffin sprach davon, dass es „uns traurig macht, was da passiert ist“. Und Kollege Xander Schauffele fügte hinzu: „99 Prozent aller Tourspieler hätten sich anders verhalten.“
Was war geschehen? Patrick Reed, US-Masters-Sieger 2018, hatte bei einem Turnier in den USA Ende Januar dieses Jahres, das er später sogar gewann, in der dritten Runde einen klaren Regelverstoß begangen.
Er hatte seinen Ball im Rough, für jeden Zuschauer vor dem Fernseher unzweifelhaft erkennbar, unerlaubterweise besser gelegt.
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Keine Sanktionen
An der zehnten Spielbahn war sein Ball nach etwa 170 Metern im hohen Gras gelandet, war vom Landeplatz aus ein Stück weitergehopst und dann schließlich liegen geblieben. Der Amerikaner markierte die Stelle, an der sein Ball zur Ruhe gekommen war. Anschließend hob er ihn auf, um ihn daraufhin besser zu legen.
Reed berief sich auf eine Regel, nach der der Ball nach dem schlechten Wetter am Tag zuvor besser gelegt werden darf, wenn er nach der Landung im morastigen Boden eingebohrt ist. Das jedoch konnte nicht der Fall sein, wie die Fernsehbilder bewiesen. Der Ball war ja nach der Landung noch ein kleines Stück weitergeflogen.
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Zur Überraschung aller sanktionierte die US-PGA-Tour diesen Vorfall nicht und ließ aus nicht nachvollziehbaren Gründen Reed ohne Strafschläge davonkommen. Die Regelhüter argumentierten damit, dass sie Reed Glauben schenken würden, der behauptet hatte, der Ball sei eingebohrt gewesen.
Miserabler Ruf
Golf gilt gemeinhin als eine der fairsten Sportarten, weil die Spieler, egal ob Profis oder Amateure, sich bei Fehlern gleich selbst bestrafen oder aber im Zweifelsfall einen Schiedsrichter befragen. Fehlt dieser bei Amateurturnieren, wird meist ein Regelball gespielt, und die Angelegenheit im Anschluss an die Runde geklärt.
Bei den Profigolfern jedoch sind die Regelhüter allgegenwärtig und dürfen von den Spielern sogar befragt werden. Dass die Kollegen Reeds sich später mit Kommentaren zurückhielten, liegt auch daran, dass Patrick Reed unter den US-Profis bereits einen, gelinde gesagt, miserablen Ruf besitzt.
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Jedes Mittel recht?
Als er noch am Anfang seiner Karriere stand und gerade sein erstes Turnier gewonnen hatte, bezeichnete er sich selbst fern jeden Mangels an Selbstvertrauen als einen der besten Golfer überhaupt, dessen Ziel es sei, an die Spitze zu kommen.
Inzwischen ist er auf einem guten Weg, sein kurzes Spiel ist überragend. Allerdings scheint ihm auch jedes Mittel recht zu sein, sein Ziel zu erreichen. Reed ist bereits mehrfach durch Regelverstöße aufgefallen, für die er auch Strafschläge kassiert hat. Nur kommt Reed bislang relativ ungeschoren davon, das war in früheren Zeiten anders.
Denn Regelverstöße prominenter Spieler hat es auch in der Vergangenheit gegeben. Selbst wenn sie nicht eindeutig nachzuweisen waren, weil Kameras in den 70er- oder 80er- Jahren noch nicht omnipräsent waren. Es reichte, wenn Golfer in den Geruch kamen, auf dem Platz zu schummeln.
Sie wurden mitunter geächtet, egal ob es sich um Regelverstöße handelte, die aus Versehen oder mit Vorsatz passierten. Heute dagegen wird oft recht gelassen mit Regelverletzungen umgegangen. Zu verstehen ist das nicht.
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Ein Fall zum schmunzeln
In die Kategorie „ein Fehler zum Schmunzeln“ fällt ein Verstoß von Craig Stadler aus dem Jahre 1987. Stadler, wie Reed ein ehemaliger US-Masters-Sieger, der wegen seiner Körperfülle und eines markanten Barts den Spitznamen „The Walrus“ trägt, breitete in der dritten Runde beim Turnier in Torrey Pines in Kalifornien seelenruhig sein Handtuch nahe eines Baumes mit tief hängenden Zweigen aus. Er wollte bei einem Schlag aus dem Kniestand nicht seine Hosen beschmutzen.
Stadler erhielt dafür nach seiner Runde zwei Strafschläge und musste sogar disqualifiziert werden. Er hatte nämlich ein falsches Ergebnis, eben ohne diese Strafschläge, mit seiner Unterschrift auf der Scorekarte dokumentiert.
Das Publikum konnte darüber vermutlich zu Hause am Fernseher lächeln, zumal erst ein Zuschauer auf den Regelverstoß durch einen Anruf aufmerksam gemacht hatte. Stadler jedoch war stinksauer.
Den Humor verlor er jedoch nicht. Als jener Baum mit den tief hängenden Zweigen Ende 1995 schließlich gefällt werden sollte, erinnerte sich der Club an den Vorfall und fragte beim „Walross“ nach, ob er selbst die Kettensäge dafür in die Hand nehmen wolle.
Um sich sozusagen an dem Baum, der ihm seinerzeit in die Quere gekommen war, zu rächen. Stadler ließ sich nicht lange bitten, setzte einen Sturzhelm auf und schritt zur Tat. Das US-Fernsehen dokumentierte das Geschehen in allen Einzelheiten.
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Norman contra McCumber
Ganz anders verlief ein Zwischenfall zwischen einem der berühmtesten und erfolgreichsten Golfer der Geschichte und seinem amerikanischen Kollegen Mark McCumber. Greg Norman, der nach Bernhard Langer 1986 als zweiter Spieler in der Geschichte der Weltrangliste die Führungsposition einnahm, beschuldigte McCumber laut und vernehmlich des Betrugs.
Norman spielte bei der World Series of Golf im Oktober 1995 in Akron/Ohio die erste Runde des Turniers zusammen mit McCumber. Der Amerikaner, so Norman, habe verbotenerweise vor einem Putt ein Grasbüschel vom Grün entfernt.
McCumber leugnete den Vorfall und erwiderte, es habe sich lediglich um ein Insekt gehandelt, das er beseitigt habe. Greg Norman war damals derart erbost über McCumber, dass er selbst das Turnier aufgeben wollte.
Tour-Chef Tim Finchem konnte ihn davon jedoch abbringen. Wie auch immer dieser Zwischenfall zu bewerten ist, McCumber musste in der Folgezeit seiner Karriere stets mit dem Makel leben, ein Betrüger beim Golf zu sein. Und dies umso mehr, weil Norman nie mehr locker ließ.
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Folgen eines Regelverstoßes
Als er Jahre später nochmals befragt wurde, ob er den Vorwurf genauso wiederholen würde, blieb der Australier bei seiner Version. Für ihn, und nicht nur für ihn, blieb McCumber ein Schummler.
Manch einer fühlt sich sogar heute noch an die Auseinandersetzung der beiden Profis erinnert. McCumbers Sohn, Tylor inzwischen, so wie sein Vater, auf der PGA Tour spielt. Der Name McCumber gerät wieder ins Licht der Öffentlichkeit und dabei schwingt im Hintergrund auch diese Episode immer noch ein wenig mit.
Der Vorfall zwischen Norman und McCumber zeigt jedoch, welche Folgen ein Regelverstoß, vor allem einer in betrügerischer Absicht, für einen Spieler haben kann. Er ist für immer diskreditiert. Jobs als Kommentator im Fernsehen und als Experte einer Fachzeitschrift folgen nach der Karriere dann nicht mehr.
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Ian Woosnam
Die Liste kleinerer (unbedachter) Verstöße ließe sich mit vielen Episoden fortsetzen. Ian Woosnam kostete ein Fauxpas in Royal Lytham in England die Chance auf einen British-Open-Sieg. Vor der Schlussrunde des Turniers 2001 hatte er mit zwei Drivern auf der Driving Range Bälle geschlagen. Sein Caddie vergaß anschließend, einen der Schläger aus der Tasche zu nehmen.
Woosnam, nach drei Runden in Führung, bemerkte bereits nach der ersten Spielbahn der Finalrunde, dass er statt der erlaubten 14 nun 15 Schläger in der Tasche hatte. Die zwei Strafschläge und vermutlich wohl auch die mentale Auseinandersetzung mit diesem Missgeschick brachten ihn um den greifbaren Erfolg. Und seinen Caddie im Anschluss übrigens um den Job. Woosnam war damals immerhin noch Dritter geworden.
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Ein besonders schwerwiegender Vorfall
Das Missgeschick des Walisers fällt jedoch in eine andere Kategorie als jene Regelverstöße, bei denen die Spieler unter dem Verdacht stehen, sich absichtlich unerlaubte Vorteile verschafft zu haben. Ein ganz besonders schwerwiegender Vorfall ereignete sich 1985 auf der Asien Tour, genauer gesagt bei der Indonesian Open.
Vijay Singh, der später einer der erfolgreichsten Golfer aller Zeiten auf der US Tour wurde, soll bei dieser Veranstaltung seine Scorekarte von eins über Par auf eins unter Par „korrigiert“ haben. Der Mann von den Fidschi Inseln, dessen Karriereverlauf damals noch längst nicht absehbar war, wurde daraufhin jedenfalls lebenslang für die Asien Tour gesperrt.
Der Einschnitt für Singh war dramatisch. Er musste kurzfristig alle Ambitionen aufgeben und heuerte im Keningau Golf Club in Sabah in Malaysia als Golflehrer an. Der Vorfall von damals, der nun gut 35 Jahre zurückliegt, haftet Singh trotz drei Major-Siegen bei der PGA Championship (1998 und 2004) und dem US Masters (2000) noch heute an.
Der Mann von den Fidschis wirkt wie ein Einzelgänger. Dass er Freunde unter seinen Spielerkollegen hat, ist nicht bekannt. Auf einem ähnlich schmalen Grat wandeln heute gleich mehrere Spieler. Zu ihnen gehört auch Bryson DeChambeau, der offenbar keine Auseinandersetzung mit den Regelhütern auf der US Tour scheut.
Immerhin: Der Amerikaner diskutiert nur endlos darüber, ob sein Ball nun im Aus liegt oder noch innerhalb des Platzes. Obwohl jeder andere dafür weniger als eine Minute benötigen würde.
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Bitterböse Geschichten
Bei Reed jedoch ist die Lage am kompliziertesten. Bereits aus seiner College-Zeit ranken sich bitterböse Geschichten um ihn. Er soll bei Turnieren zweimal geschummelt und zudem Mitspielern Geld gestohlen haben.
Als er bei der Hero World Challenge 2019 nachweislich erneut ins Visier der Referees geriet, war sein Ruf vermutlich bereits nachhaltig beschädigt. Sein Ball war bei diesem Turnier in einer Waste-Area so unglücklich gelandet, dass direkt hinter seinem Ball ein kleiner Sandhügel lag.
Ein kontrollierter Ballkontakt war deswegen nicht möglich. Da in Waste-Areas jedoch der Schläger auf dem Boden aufgesetzt werden darf, tat Reed so, als ob er direkt am Ball zwei Probeschwünge ausführte.
Dabei beseitigte er mit dem Rückschwung den kleinen Sandhügel, der ihm im Wege lag und traf den Ball später perfekt. Reeds Pech: Kameras hatten das Geschehen eingefangen, er bekam für seinen Regelverstoß später zwei Strafschläge aufgebrummt.
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Patrick Reed – ist sein Ruf gänzlich ruiniert?
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert: Reed jedenfalls scheinen alle Vorwürfe kaltzulassen. Gegewärtig vielleicht sogar zu Recht: Als der Amerikaner 2019 bei der Porsche European Open in die Nähe von Hamburg (Green Eagles Golf Courses) eingeladen worden war, präsentierte ihn der Veranstalter als Topstar und Zuschauermagnet.
Selbstverständlich wurde Patrick Reed der Ausflug nach Europa mit einer stattlichen Antrittsprämie beziehungsweise einem Honorar für „besondere Leistungen“ versüßt. Wie es um den Leumund des Profigolfers in den USA bestellt ist, zeigt die Reaktion eines Wettanbieters nach dessen Sieg Ende Januar dieses Jahres.
Die Firma PointsBet sah dessen Erfolg bei der Farmers Insurance Open als erschlichen an: Jeder, der vor dem Turnier auf einen anderen Gewinner als Patrick Reed gewettet hatte, bekam sein Geld in Form eines Wettgutscheines wieder zurück.
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